Das Ende des Booms naht – Züge auf dem Abstellgleis

wachstum

• Die weltweite Schienenindustrie muss sich auf harte Jahre und ein Ende des Booms der Branche Züge auf dem Abstellgleis einstellen.
• Ein Beratungsunternehmen sagt voraus, dass der Markt für Züge und Schienentechnik nur noch um 2,3 Prozent wachsen wird.
• Treffen wird es auch deutsche Unternehmen.

Die weltweite Schienenindustrie muss sich auf harte Jahre und ein Ende des Booms der Branche einstellen. Das auf diese Industrie spezialisierte Beratungsunternehmen SCI hat errechnet, dass der globale Markt für Züge und Schienentechnik in den kommenden Jahren im Mittel nur noch um 2,3 Prozent wachsen wird. Damit könnten die Bahn- und Infrastrukturhersteller sogar noch ganz gut leben. Doch der Teufel steckt im Detail – in diesem Fall im Neugeschäft.

Dort wird die Nachfrage laut SCI bis 2020 spürbar abebben. Allenfalls 1,3 Prozent Wachstum sei beim Neugeschäft noch zu erwarten, prognostiziert SCI. „In Zukunft übernimmt das After-Sale-Geschäft den Löwenanteil des Umsatzes und die Führung beim Zuwachs“, heißt es in der Studie „Worldwide Market for Railway Technology“.

Daraus ergeben sich zwei Probleme: Zum einen ist mit Neugeschäft in aller Regel auf einen Schlag mehr Geld zu verdienen als mit After-Sale-Leistungen. Es ist lukrativer, den Zuschlag für den Bau und die Ausrüstung von Hunderten Kilometern Hochgeschwindigkeitstrasse und den dafür nötigen Zugflotten zu bekommen, als bestehende Anlagen und Fahrzeuge zu warten und nachzurüsten.

Siemens hadert mit der Branche

Zum anderen wird sich die Delle bei neuen Aufträgen in den kommenden Jahren schmerzvoll zeigen. Denn damit schrumpft perspektivisch auch das After-Sale-Geschäft, weil schlicht weniger moderne Anlagen instand gehalten werden müssen. Die Vorhersage von SCI ist vor allem für den Standort Deutschland alarmierend. Denn die Schienenindustrie ist hierzulande ein wichtiger Arbeitgeber.

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Neben Siemens, einem der weltweit größten Bahntechnikhersteller, steuert derkanadische Bombardier-Konzern aus Berlin seine Schienensparte und hat darüber hinaus mehrere Werke in Deutschland. Zudem gibt es eine ganze Reihe wichtiger Mittelständler, die vor Ort produzieren und für Beschäftigung sorgen, darunter Stadler, Vossloh oder Knorr Bremse. Wenn diesen Unternehmen die Aufträge fehlen, droht eine Unterauslastung der Werke. Die mögliche Folge ist ein Arbeitsplatzabbau.

Siemens hadert schon lange mit seiner Bahnsparte und hätte sie sogar freiwillig getauscht, um im Gegenzug vom Konkurrenten Alstom den Energieanlagenbau zu bekommen. Bombardier ist mit dem Schienentechnikgeschäft ebenfalls in schwierigem Fahrwasser, die Zeiten der Zukäufe sind längst vorbei. Zuletzt schrumpften sich die Kanadier in Deutschland eher gesund, als zu wachsen.

Vor allem die Chinesen bremsen jetzt

Egal ob Deutsche, Franzosen oder Japaner: Alle stehen unter Druck, weil die chinesischen Bahnbauer beginnen, mit voller Wucht auf den Weltmarkt zu drängen. Bislang war das kein Problem, denn der Bahnmarkt wuchs. Und die Chinesen waren für den Export noch nicht so weit. Nun sind sie technisch voll auf der Höhe und durch die Zusammenlegung der beiden großen Bahnkonzerne des Landes, die nun keine Konkurrenz mehr haben, unschlagbar günstig.

Jahrelang hatten die Schienentechnikhersteller eine sichere Aussicht auf immer vollere Auftragsbücher. In den vergangenen 20 Jahren waren Wachstumsraten von drei bis fünf Prozent eine solide Annahme. In vielen Ländern erlebte die Bahn eine Renaissance, bei den Fernzügen, im Regionalverkehr, vor allem aber bei den Metros und S-Bahnen. Doch der Boom ist abgeflaut. Erstmals macht etwas mehr als die Hälfte des Branchenumsatzes das After-Sales-Geschäft aus – eine Konsequenz aus den vielen neuen Projekten der vergangenen Jahre.

zugflotten

Vor allem die Chinesen bremsen nun im eigenen Land deutlich bei neuen Projekten. In den vergangenen zehn Jahren hatte die Volksrepublik aus dem Nichts das größte Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt aus dem Boden gestampft. Außerdem wurde in vielen der stau- und smoggeplagten Millionenstädte in den Ausbau der Stadtbahnen investiert. Doch nun ist ein Niveau im Schienenverkehr erreicht, das die Staats- und Parteiführung als vorerst ausreichend erachtet. Die Investitionen des Staates werden in andere Bereiche umgelenkt. Damit fällt China als Lokomotive für die weltweite Bahnbranche vorerst aus.

Asien bleibt der größte Regionalmarkt

„Insbesondere die verhalteneren Investitionspläne in China bremsen das Wachstum im Neugeschäft aus“, sagt SCI-Chefin Maria Leenen. „Darüber hinaus erfüllen sich die Hoffnungen auf eine stärkere Nachfrage aus Russland und Brasilien keineswegs. Indien, der Nahe Osten oder auch die Türkei sind mit stärkeren Fragezeichen zu sehen“, so Leenen.

Die großen Hoffnungsträger auch der Bahnbranche, die sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und mit Abstrichen China) sind also keine mehr. In Westeuropa laufen die Geschäfte immerhin stabil und legen zu. Der Umsatz des Bahnmarktes dort liegt aktuell bei 44,4 Milliarden Euro. Und SCI sagt ein Wachstum von 3,2 Prozent voraus – sowie immer noch einen größeren Anteil an Investitionen in neue Züge und Schienentechnik.

Asien bleibt – trotz zurückgegangenen Wachstums – der größte Regionalmarkt mit einem Marktvolumen von 51,6 Milliarden Euro. Das größte Wachstum erwartet SCI aber abseits der klassischen Bahnländer und der einst dynamischen Märkte in Fernost: nämlich in Afrika und Nahost. Gerade die Golfstaaten pumpen Milliarden in neue Metros und in den Schienengüterverkehr. Und das Potenzial in Afrika ist riesig. Die Frage ist nur, ob dort die Verhältnisse stabil genug sind, sodass begonnene Projekte in den Mittelmeer-Anrainerstaaten oder in Südafrika auch zu Ende gebracht werden.

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