Ohne Ausländer keine Bauwirtschaft

Nur Facharbeiter aus dem europäischen Ausland verhindern, dass der deutsche Bauboom kollabiert. Um die Personalnot auf dem Bau zu lindern, will die Branche jetzt auch mehr Flüchtlinge anlernen.

Wer mal eben einen Maler oder Installateur für kleinere Arbeiten sucht, hat meist Pech. Wartezeiten von mehreren Wochen sind inzwischen die Regel. Baufirmen und Handwerker ertrinken in Aufträgen, Neubauprojekte boomen wie seit Jahrzehnten nicht.

So lag der Auftragseingang des Bauhauptgewerbes im Mai um 22 Prozent höher als im Mai vergangenen Jahres. Im Wohnungsbau betrug das Plus gar 27 Prozent. Auch deshalb haben die Firmenchefs eine immer drängendere Sorge: Woher geeignetes Personal bekommen?

Schubkarrenschieber oder Handlanger sind zur kleinen Minderheit auf den Baustellen geworden. Drei von vier Beschäftigten sind Fachleute. Nur ist inzwischen der Arbeitsmarkt weitgehend leergefegt, auch Azubis sind kaum zu bekommen.

Doppelt so viele Beschäftigte mit ausländischem Pass seit 2008

Die Personalchefs machen sich daher seit einiger Zeit die Not in anderen Ländern zunutze: in den einstigen Bauparadiesen Süd- und Osteuropas. Denn in Spanien, Portugal oder Polen haben viele Millionen Arbeitskräfte im Zuge von Immobilienkrisen ihre Jobs verloren. “Darunter sind viele Leute, die etwas vom Bauen verstehen”, lobt Heiko Stiepelmann, Vize-Chef des Bauhauptverbandes.

Entsprechend begehrt sind sie in Deutschland. Man könnte auch sagen: Ohne sie geht nichts mehr. Sie ersetzen den Großteil der rund 16.000 deutschen Baufachkräfte, die jährlich in Rente gehen. Seit 2008 hat sich der Anteil der Beschäftigten mit ausländischem Pass im Bauhauptgewerbe nahezu verdoppelt: Er stieg von 7,7 auf 13,1 Prozent.

Die jüngste Flüchtlingswelle wirkt sich noch nicht spürbar aus. Doch die Firmen hoffen, dass sie ihnen hilft, die Nachwuchsprobleme zu lösen. Ein Drittel der Flüchtlinge sei zwischen 18 und 25 Jahre “und damit im richtigen Alter für eine Lehre”, sagt Stiepelmann. “Wir müssen jedoch erst die Ausbildungsfähigkeit herstellen.” Etwa 70 Prozent haben keine abgeschlossene Ausbildung, viele müssen erst Deutsch lernen.

Wenige deutsche Azubis sehen ihre Zukunft auf dem Bau

Die Mühe könnte sich für beide Seiten lohnen, denn die Firmen werden jahrelang weiter händeringend nach gutem Personal suchen. Schon jetzt ist jeder zweite gewerbliche Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft älter als 50 Jahre, zur Jahrtausendwende war es noch jeder dritte. Nur wenige deutsche Azubis sehen ihre Zukunft auf dem Bau. Im zweiten Quartal wurden bundesweit gerade einmal 10.000 neue Lehrverträge abgeschlossen – zu wenig, um die Personalnot auch nur annähernd zu lindern.

Um die Wartezeiten der Bauherren erträglich zu halten, behelfen sich viele Firmen laut Stiepelmann derzeit, indem sie Aufträge an ausländische Subunternehmen vergeben. “Wir sind handlungsfähig”, versichert der Baulobbyist.

Die Branche mit rund 763.000 Beschäftigten möchte nicht in den Ruf geraten, jahrelang zu wenig ins Stammpersonal investiert zu haben. Im Jahr 1995 beschäftigte sie noch 1,4 Millionen Menschen.

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